Damit sich Menschenrechtsverletzungen nicht mehr rechnen: Ein Lieferkettengesetz für Deutschland

von Silke Pohl

Mitte Februar haben sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach monatelangem Streit auf ein Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte verständigt. Wir zeigen, dass dies notwendig ist, denn globale Produktionsstrukturen brauchen einen neuen Ordnungsrahmen.

Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag zu einem Lieferkettengesetz verpflichtet und bezieht sich dabei auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011. Das Wirtschaftsministerium hatte das Lieferkettengesetz über Monate blockiert. Der jetzige Gesetzentwurf, der noch in dieser Legislaturperiode im Parlament verabschiedet werden soll, berücksichtigt viele Bedenken der Wirtschaft. Dennoch ist er ein wichtiger Schritt hin zu einer Unternehmensverantwortung.

Was regelt das Gesetz?

  • Unternehmen müssen Sorge tragen, dass die Lieferanten ihrer Produkte keine Menschenrechte wie Leben und Gesundheit, angemessenen Lohn, Freiheit von Kinder- und Zwangsarbeit, Interessenvertretung verletzen.
  • Es soll zunächst ab 2023 für die etwa 600 deutschen Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gelten. Ab 2024 auch für die etwa 2.900 kleineren Unternehmen mit mind. 1.000 Beschäftigten.
  • Die Unternehmen müssen zunächst nur für ihre unmittelbaren Zulieferer und ihren eigenen Geschäftsbereich eine Risikoanalyse vornehmen.
  • 65 neue Stellen im Bundesamt für Wirtschaft werden die Unternehmen kontrollieren und Bußgelder verhängen.
  • Ursprünglich sollten die Unternehmen für Menschenrechtsverstöße entlang ihrer Lieferkette auch zivilrechtlich haften. Im jetzigen Entwurf können die Unternehmen nicht aus dem Ausland verklagt werden. Einheimische Organisationen können in bestimmten Fällen im Namen der Geschädigten klagen.
  • Das Gesetz soll Anfang 2023 in Kraft treten, um die Unternehmen in der Corona-Pandemie nicht zusätzlich belasten.

Neue Regulierungen für eine globale Welt

In den letzten Jahrzehnten wurden Produktion und Handel zunehmend globaler. Der Abbau von Zöllen und Regulierungen, billiger Transport in Containern und Kommunikation über das Internet machten diesen Prozess der Globalisierung möglich: Unternehmen wanderten ab oder lagerten Produktionsschritte aus in Länder mit geringeren Produktionskosten. Die Lieferketten wurden komplexer.

Hiesige Unternehmen lassen in Ländern mit z.B. in 60-Stunden-Wochen mit Niedrigstlöhnen oder Zwangs- und Kinderarbeit günstig produzieren und müssen sich dafür nicht verantworten.

Moralische Apelle an freiwillige Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette helfen kaum: Denn Unternehmer*innen sind im Kapitalismus – bei Strafe des Untergangs – gezwungen, sich Konkurrenzvorteile zu verschaffen, z.B. durch Kostensenkungen. Unternehmer*innen, die sozial verantwortlich produzieren wollen, können auf die kleinen Marktanteile für Produkte mit entsprechenden Siegeln und Vermarktung setzen. Ansonsten ist sozial verantwortliche Produktion ein Wettbewerbsnachteil. Denn sie kostet mehr.

Eine gesetzliche Regelung hat den Vorteil, dass alle die gleichen Rahmenbedingungen haben. Kein Unternehmen kann durch ausbeuterische Löhne oder Kinderarbeit Vorteile erzielen; alle Unternehmen haben die gleichen Nachweispflichten.

Positionen :

Laut einer Umfrage von Infratest dimap sprachen sich im Jahr 2020 rund 75 Prozent der Bürger*innen für ein Lieferkettengesetz aus. 22 Prozent reagierten ablehnend.

Wir tragen Verantwortung für die Art, wie wir wirtschaften. Das ergibt sich aus den biblischen Grundorientierungen und den daraus erwachsenden ethischen Überlegungen. Die Verantwortung liegt sowohl bei den Unternehmen und bei der Politik als auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

EKD-Text 135 Verantwortung in globalen Lieferketten

‚Made in Germany‘ darf nicht länger für Kinderarbeit oder Fabrikeinstürze in den Lieferketten deutscher Unternehmen stehen. […] Die Bundestagsabgeordneten fordern wir nun dazu auf, sicherzustellen, dass die Sorgfaltspflichten von Unternehmen den UN-Leitprinzipien entsprechen. Ein Lieferkettengesetz muss auch Umweltstandards abdecken und eine zivilrechtliche Haftungsregelung enthalten, um die Schadensersatzansprüche von Betroffenen zu stärken.

Pressemitteilung zur Einigung über das Gesetz der Initiative Lieferkettengesetz

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