Grüne Seiten in braun

Es gibt ein neues Ökomagazin aus Dresden. Allerdings eines, das wir äußerst kritisch sehen.

Worum geht es?

„Die Kehre“ ist das Nachfolge-Magazin der eingestellten „Umwelt & Aktiv“. Chefredakteur ist Jonas Schick, Mitglied der „Identitären Bewegung“ und Mitarbeiter des Bremer AfD-Abgeordneten Frank Magnitz.1 Das Heft wird im Dresdner Oikos-Verlag herzausgegeben. Inspiriert von Martin Heideggers Werk „Die Technik und die Kehre“ möchte man Dinge „ganzheitlich“ und abseits von Klimaschutz betrachten – ökologische Fragen mitsamt „Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum, also auch Haus und Hof (Oikos)“ in den Blick nehmen, so die Eigendarstellung.

Autor*innen sind neben Jonas Schick unter anderem auch der frühere Umweltaktivist Michael Beleites. Seine publizistische Arbeit fiel in den letzten Jahren leider vermehrt dadurch auf, dass er seine Zusammenarbeit mit Gruppierungen der neuen Rechten vertiefte.

Was sind die Inhalte?

Die Inhalte sind auf den ersten Blick zunächst „unverfänglich“. Da geht es um die Energiewende, die Abholzung von Wäldern, Monokulturen, Landschaftsbau, etc.

Kapitalismus und Liberalismus werden als Ursache für Umweltprobleme kritisiert: denn der Energiehunger der (wachsenden) Überflussgesellschaft treibt die Zerstörung der Natur voran. Auch ein „grünes Wirtschaftswachstum“ wird in Frage gestellt. Stichworte sind hier beispielsweise folgende: Wind- und Solaranlagen verschandeln Landschaften, Energiepflanzen (meist in Monokulturen) stehen in Konkurrenz zu Lebensmittelanbau.

Was ist daran problematisch?

Zunächst sind viele Argumentationslinien der Autoren aus Umweltschutz-Sicht nachvollziehbar. Ein Überdenken unserer Lebensverhältnisse wird auch von uns seit Jahrzehnten gefordert; die Kirchen formulieren in diesem Zusammenhang eine „Umkehr zum Leben“. In diesem Magazin allerdings gehen damit Narrative einher, die mit einer demokratischen, antirassistischen und offenen Gesellschaft kaum vereinbar sind. So wird beklagt, dass, weil als Folge der Überflussgesellschaft immer mehr Arbeitskräfte aus anderen Kulturkreisen herangezogen werden müssen, die „Fertilitätsrate der Autochthonen“2 Schaden nehme. Auch die Argumentation, Überbevölkerung sei Auslöser für eine ökologische Katastrophe, wird immer wieder angedeutet. Dies ist insofern kritisch zu betrachten, da es sich hier um eine zweifache Problemverschiebung handelt: zum einen sind nicht die Menschen, die immer mehr werden (nach Ansicht der Rechten natürlich Menschen im oder aus dem globalen Süden) auch diejenigen, die so viel Ressourcen verbrauchen. Und zum anderen sind nicht Menschen das Problem, sondern Lebensstile der reichen Länder/Wirtschaftssysteme, die auf ressourcenverbrauchendes Wachstum bauen. Eine Geburtenkontrolle, die in diesem Zusammenhang oft angeführt wird, ist nicht nur bevormundend, sondern auch rassistisch.

Weiterhin wird der politische Gegner fest fokussiert – das macht sich auch in den Kommentaren bemerkbar. Sich kritisch mit Parteien und Organisationen auseinander zu setzen ist definitiv nicht problematisch – im demokratischen Aushandlungsprozess wird das sogar gebraucht. Bei der „Kehre“ fällt allerdings auf, dass in nahezu jedem Artikel fast ausschließlich die Bündnis/Grünen als Feindbild in Szene gesetzt sind. Das lässt vermuten, dass hier nicht um konstruktive Lösungen gerungen wird, sondern vor allem ein politischer Revierkampf um Anhängerschaft initiiert werden soll. Denn, so der Chefredakteur in einem seiner Artikel, „wenn die kommende Epoche eine Epoche der Rechten werden soll, dann brauchen wir Antworten auf die systemimmanente Instabilität des Liberalismus, die über den Themenkomplex der Nation und Migration hinausgehen.“3

Fazit:

Es werden in der „Kehre“ keine Visionen für das „Gute Leben für alle“ entwickelt – weder aus ökologischer, noch aus sozialer Sicht; hier stehen lediglich a) das Überleben der „eigenen“ Identität und b) das Herumnörgeln am politischen Gegner im Mittelpunkt. „Dabei geht es primär darum, ihre rassistischen und antidemokratischen Argumentationen in einen umweltfreundlichen „Heimatschutz“ zu verpacken.“4

Also: Papierverschwendung.

1 https://www.nf-farn.de/namenswechsel-volk-natur, am 16.06.2020

2 https://die-kehre.de/2020/05/23/energie-und-moderne-vorletztes-kapitel/, am 16.06.2020

3 https://die-kehre.de/2020/05/23/energie-und-moderne-vorletztes-kapitel/, am 16.06.2020

4 https://www.nf-farn.de/namenswechsel-volk-natur, am 16.06.2020