Irgendwie braun-grün

Das war der Workshop zum Thema „Rechtsextremismus und Naturschutz“ am 11. Januar 2020 im ÖIZ:

Als im Spätsommer 2018 der Hambacher Forst durch den Tagebau weiter und wieder existenzbedroht ist, geht eine Welle der Empörung durch die Republik. Unter den Kritiker*innen der drohenden Rodung und den Unterstützer*innen der Umweltaktivist*innen finden sich nicht nur Menschen der links-alternativen Szene oder der Bürgerrechts- und Umweltbewegung. Auch die neue Rechte zeigte sich dieser Tage mit scharfer Kritik und behauptete ihr deutliches „,Nein‘ zur Rodung eines solch denkwürdigen Abbilds der Natur mit ihrer Vollkommenheit“. Umweltschutz sei schließlich Heimatschutz.

Nicht nur einmal gibt es an diesem Januarsamstag im ÖIZ nachdenkliches, ungläubiges Kopfschütteln. Erik Rose, Referent für die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz der Naturfreunde Deutschland e.V. (FARN), begleitete in einem ganztägigen Workshop 15 interessierte Menschen durch einen Exkurs in die historischen und aktuellen Verknüpfungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit extrem rechten und völkischen Strömungen.

Zum einen wurde sichtbar, dass biologistische und rassistische Denkmuster schon seit langem im Natur- und Umweltschutz festsitzen – so beispielsweise bereits bei Ernst Heckel, dem Zeichner der wunderschönen Pflanzenbilder, der die Todesstrafe für „unverbesserliche Taugenichtse“ forderte – zum wohl der „besseren“ Menschheit, versteht sich.

Neben den Nazis des letzten Jahrhunderts nutzen auch die neuen Rechten wie die Identitäre Bewegung, der Dritte Weg, der Antaios-Verlag, Compact oder auch der Völkische Flügel der AfD menschenverachtende Denkmuster und Ideologien für ihre Natur- und Umweltschutzkonzepte. Diese sollen der Gesunderhaltung der überlegenen Rasse selbst und deren Lebensraum dienen. So ist eine – auch recht aktuelle – Argumentationslinie, dass die Grenzen des Wachstums nicht nur ökonomisch und ökologisch gelten, sondern auch biopolitisch, sprich: das Bevölkerungswachstum der Gesellschaften im Globalen Südens sei die eigentliche Bedrohung für uns. „Problematisch an diesen Gedanken ist ein sozialdarwinistisches und teils eugenisches Fundament: Es werden zunächst die Armen und Schwachen der Gesellschaft ,geopfert‘, um den allgemeinen Wohlstand zu sichern. Das impliziert eine Ungleichwertigkeit von Menschen – in diesem Fall eine mindere Wertigkeit der unteren Klassen. […] Es gibt (aber) kein Problem mit der Bevölkerungsdichte der Erde, sondern ein Problem mit der gerechten Verteilung und der Wirtschaftsweise“, so FARN auf ihrer Homepage.

„Eine menschenrechtsbejahende Umweltpolitik stellt stattdessen Gerechtigkeitsfragen. Sie fragt, wie viel verbraucht werden darf, damit alle Menschen heute und in Zukunft ein gutes Leben führen können. Sie stellt zudem die Frage nach der historischen ökologischen Schuld des Globalen Nordens und nach der daraus resultierenden Wiedergutmachung.“ In diesem Sinne erarbeitete Erik Rose mit den Teilnehmenden mit Hilfe eines Rollenspiels praxisorientierte Argumentationsmöglichkeiten, die menschenbejahend und demokratiefördernd Gegenentwürfe zum vermeintlichen Grün der Braunen funktionieren.

Auf der Homepage von FARN finden sich neben Veranstaltungshinweisen und Informationen auch spannende Beiträge zu den Themen Klimaleugnung, Tierschutz oder Öko-Gemeinschaften im rechtsextremen Kontext: www.nf-farn.de

Wir danken unseren Kooperationspartnerinnen Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, der VG – Verbrauchergemeinschaft Dresden, und der NAJU Dresden für die Zusammenarbeit!

Anna Groschwitz, Referat Schöpfungsbewahrung